Der Weg ist das Ziel | Gedanken zum Wandern

Alles begann in einer Zeit der persönlichen Unruhe, ich hatte gerade angefangen, das Wandern als Hobby zu entdecken. Wandern bedeutet für mich, länger als zwei Stunden am Stück zu gehen, mit Proviant und Wanderschuhen. Da ich bis dato mit anderen Menschen zusammen gewandert war, wollte ich herausfinden, ob das alleine Wandern überhaupt etwas für mich wäre.

Wenn ich in meine ersten Pieterpad* Aufzeichnungen blicke, dann lese ich über ein Bedürfnis nach Ruhe, weil mir viele, oftmals bedrückende, Gedanken durch den Kopf schwirrten. Ich notierte bei den ersten Wanderungen auch etwas von Rückenschmerzen und von schlecht passendem Schuhwerk.

Um es schon einmal vorwegzunehmen: All diese Dinge spielten im Laufe der Zeit und Kilometer keine Rolle mehr und ich habe das Ziel ohne weitere körperliche Beschwerden erreicht.

Worüber ich aber eigentlich erzählen möchte ist, was das Bewandern solch eines LAW (lange-afstands-wandeling / Fernwanderweg) wie den Pieterpad mental ausrichten kann. Etwas, dessen ich mir zu Beginn meines Vorhabens nicht bewusst war.

Prinzipien

Anfangs war für mich irgendwie selbstverständlich, alle Etappen nacheinander, also in der im Buch beschriebenen Reihenfolge, zu laufen. Einen mehrtägigen Wanderurlaub traute ich mir nicht zu und nahm mir daher vor, jeweils 2-3 Etappen am Stück zu bewandern, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren und möglichst bei 'vrienden op fiets' zu übernachten.
Manchmal gestaltete es sich schwierig, die Wochenenden oder freien Tage so zu organiseren, dass mehrere Etappen an einem Stück gelaufen werden konnten. Ein Bekannter brachte mich auf die Idee, ich könne doch auch zwischendurch die Etappen hier im Umkreis erwandern. Was man hat, hat man.
Es klingt vielleicht befremdlich, aber auf die Idee wäre ich wirklich nicht selbst gekommen. Denn wie gesagt: Alles schön der Reihe nach!

Die ersten 13 Etappen, also Pieterpad Teil 1, lief ich innerhalb eines Jahres. Sehr schnell war mir klar: Ja, alleine wandern ist etwas für mich! Darum habe ich auch überhaupt nicht gezögert, mein Wandervorhaben mit Teil 2, nochmal 13 Etappen, fortzusetzen.

Von Enschede aus wird es Richtung Süden logistisch etwas umständlicher, die Startpunkte zu erreichen und passende Übernachtungsmöglichkeiten zu finden. Mit dem oben erwähnten Anspruch, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren etc., hatte ich mir selbst eine gewisse Spontanität genommen. Man könnte ja auch mit dem Auto fahren und in teuren Hotels übernachten. Das wäre allerdings weniger abenteuerlich und bequem kannte ich schon. Wie gesagt, je weiter südlich, desto planungsintensiver.

Dennoch gelang es mir im folgenden Jahr relativ flott die ersten 10 Etappen aus Teil 2 zu wandern. Dann geriet das Vorhaben ins Stocken. Nicht, weil die Organisation komplizierter wurde, sondern weil ich mich durch diverse andere Umstände daran habe hindern lassen.
Ich wähle hierbei bewusst diese komplizierte Formulierung. Nicht immer haben die Umstände mich gehindert, sondern habe ich mich auch hindern lassen! So empfinde ich es im Nachhinein zumindest teilweise - in den jeweiligen Momenten habe ich es nicht so erlebt.

Loslassen

Ich wollte die letzten drei Etappen auf jeden Fall am Stück laufen, damit sich die Abschlussroute auch wie eine längeres Unterwegs-Sein anfühlt und natürlich weil der Weg nach Limburg sich zeitlich lohnen sollte. Dafür bräuchte man allerdings ein paar freie Tage. Wiederum ein selbstauferlegter Zwang, der Druck erzeugt.

Mittlerweile hatte ich einige Etappen in netter Gesellschaft gewandert. Meine Begleitung wollte auch die letzten Etappen mitgehen, konnte aber aus nachvollziehbaren Gründen nicht. Kurz: Es dauerte einfach eine Weile bis ich bereit war alleine weiterzugehen.
Zeitweilig war ich gesundheitlich leider nicht in der Lage zu wandern. Zudem gab es noch eine Pandemie, die zur besten Wanderzeit, nämlich im Frühjahr und Herbst, Reisen und Übernachtungen so gut wie unmöglich machte.

Tja und so geht die Zeit dahin. Das kleine 3 Etappen-Päckchen lag fest auf meinen Schultern, wurde immer schwerer und drückte manchmal ganz schön. Der Gedanke, diese Etappen doch nun wirklich noch wandern zu wollen, ließ mich nie los. Schließlich möchte ich zu Ende bringen, was ich angefangen habe! Es fühlte sich so unvollständig an ...

Je länger es dauerte, desto mehr kam die anfängliche Unsicherheit: Würde es noch Spaß machen alleine zu wandern? Halte ich es physisch durch? Wie mühsam ist die Etappe von 22 km ein einem hügelige Gebiet wie Limburg?

Als ich jüngst die Gelegenheit endlich beim Schopfe ergreifen konnte, war die Vorfreude total groß - vielleicht könnt ihr euch die Freude vorstellen und nachvollziehen, wie mich das Warten genervt hatte. 

Und plötzlich stellte ich fest, dass inzwischen meine Denk- und Herangehensweise deutlich flexibler war als zu Beginn dieses Abenteuers. Vergangenen Herbst wanderte ich die erste der letzten drei Etappen aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen verteilt auf zwei Tage. Völlig spontan entschied ich dies bei einem Aufenthalt in Belgien. Von meinem Standort aus bin ich jeweils mit dem Auto zum Startpunkt gefahren. Die Etappe teilen und mit dem Auto anreisen - ganz entgegen meiner anfänglichen Prinzipien!

Für die letzten zwei Etappen wählte ich ebenfalls einen Übernachtungsort. Dieser lag an der Etappe 25, so dass ich wandernd einsteigen konnte.

Frei, um neue Wege zu gehen

Obwohl ich diesen LAW nicht á la Pilgerweg in einem Stück gegangen bin, denn pilgern war nicht mein Anliegen, hat dieses Abenteuer in seiner Gesamtheit und mit allen Nebenschauplätzen dennoch einen ähnlichen Effekt. Ich habe sehr viel über mich selbst gelernt und mich im Laufe der Wanderungen persönlich entwickelt. Vielleicht könnt ihr nachvollziehen, wie glücklich ich war das Ziel zu erreichen. So lange hatte ich es herbeigesehnt, das mittlerweile 2 Etappen-Päckchen fiel sprichwörtlich von meinen Schultern - und nicht nur das. 

Was mir im Laufe der Zeit sehr deutlich geworden ist und worüber ich vorher nie nachgedacht hatte ist, dass so eine Wanderung ein hervorragender Spiegel des Lebens ist. Ich kann nur bestätigen, was ihr natürlich schon wisst: Durch die Entschleunigung konzentrierst du dich auf die wesentlichen Dinge und kannst sie auf deine ganz persönliche Weise meistern und erleben.


Der Weg ist das Ziel

manchmal begegnen dir Menschen für einen kurzen, unverbindlichen Moment
manchmal begleiten dich nette Menschen ein Stück, bevor jeder wieder seinen eigenen Weg wählt
manchmal werden Erfahrungen ausgetauscht, die zum Umdenken anregen
manchmal entscheidest du dich, bei dir und deinem Plan zu bleiben
manchmal musst du Umwege gehen, um ans Ziel zu kommen
manchmal möchtest du einfach immer weiter laufen und manchmal keinen Schritt mehr tun
manchmal triffst du Entscheidungen, die auch mal überdacht werden könnten
manchmal passieren tatsächlich andere Dinge, die du selbst nicht beeinflussen kannst
manchmal machen dich bestimmte Erlebnisse unsicher und es dauert einen Moment, dich wieder zu berappeln
manchmal kommst du vom Weg ab und stellst es von ganz alleine fest
genieße alle manchmals denn
der Weg ist das Ziel.


*Der Pieterpad ist ein knapp 500 km langer Fernwanderweg von Pieterburen (Provinz Groningen) bis nach Sint Pietersberg (Provinz Limburg). Man durchwandert die Niederlande einmal von Nord nach Süd (umgekehrt geht natürlich auch). Besonders erwähnenswert finde ich, dass man auf diesem Fernwanderweg die Vielfalt der niederländischen Landschaft hautnah erlebt.

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